Der Flecken Ahlden zurück zur Hauptseite


Arno Schmidt:
Ahlden an der Aller ist einer der erwähnten ziemlich zeitlosen Flecken; am Südrand der Lüneburger Heide gelegen, abseits von Verkehr und Industrie, stagnierte die Einwohnerzahl stets bei wenigen Hundert; heute mögen es, dank den Flüchtlingen, fast Tausend sein [Stand der Niederschrift: 8.10.1954]. Typisch niedersächsisches Fachwerk; Gehöfte inmitten weiter Felder und feuchter Wiesen; trotz der großen Feuersbrünste von 1715 und 1848 wird sich nicht viel am Gesamtaspekt verändert haben. Im Viertelkreis nordöstlich um den Ort das Wasserband der "Alten Leine" - es schwimmt sich gut darin, ich kann es empfehlen.
Aber am Ostrand liegt das Schlößchen ! 1519 steht am ältesten rechten Flügel des imposanten Fachwerkbaues; 1619 unter dem Wappen überm Tor - es war ein Jagdschloß der alten Herzöge von Celle-Lüneburg. Und hier gleich eine Einschaltung : wohl ist der Bau selbst, so viel auch daran herumgebastelt sein mag, im wesentlichen doch noch unverändert, und ein unschätzbares Kulturdenkmal; aber für die Umgebung zieht man besser den Plan des hannöverschen Landbaumeisters C.A. Vogell von 1830 zu Rate: da sieht man nämlich, daß hier eine ausgesprochene Wasserburg lag, mit

doppeltem Graben, sogar die beiden Brücken gesichert durch das drohende Wachthaus dazwischen. Dazu die weltabgeschiedene Lage, fern von jeder der großen Straßen auch unserer Zeit noch - Kurfürst Georg Ludwig wußte schon, warum er gerade dieses seiner Schlösser auswählte, eine so wichtige Staatsgefangene wie seine Gattin zu beherbergen !
Aus:
DIE GEFANGENE KÖNIGIN. (Am 13. November 1726 starb nach zweiunddreißigjähriger Haft Sophie Dorothea, die »Prinzessin von Ahlden«.
Bargfelder Ausgabe Werkgruppe III Essays und Biographisches Studienausgabe Band 3 S.146


[...] 9. Die Sonne verschwand. Wind sprang umher. Einmal brummte der Triebwagen nach Celle vorbei. Ich war zwar müde, mußte aber Material für mein verwünschtes Buch sammeln : Beleuchtungen, Gegenstände, idiomatische Wendungen, Herr mach uns frei.
[...] Ich nahm die Flatternde beim Oberarm; ich berichtete ihr nachsichtig vom Schloß. Gab ihr 30 Themen für Historienmalerei aus dem Stegreif an. Sie zitterte und vergaß vor Entzücken einen Vorwurf nach dem anderen : Jansen und Massenbach ; Schröter und Harding ; Nanne und Blumenhagen. ( Wozu hab' ich schließlich monatelang in Archiven gesessen ? ).
Aus:
RIVALEN. Sommermeteor, Fischer-TB S. 61 f.


Zur weiteren Ortsgeschichte sei an dieser Stelle verwiesen auf
Dr. Hans Freese: Von der Geschichte des Fleckens Ahlden, dem Verbannungsort der Prinzessin Sophie Dorothee. Ahlden, 1970